Entlastung für Eltern mit behinderten Kindern in der Schweiz
Die Erziehung eines Kindes mit Behinderung bringt eine Vielzahl von Herausforderungen mit sich, die Eltern oft an ihre physischen, emotionalen und finanziellen Grenzen bringen. In der Schweiz gibt es jedoch eine Vielzahl von Unterstützungsmöglichkeiten und Förderungen, die gezielt darauf abzielen, Familien mit behinderten Kindern zu entlasten und ihnen den Alltag zu erleichtern.
Dieser Artikel beleuchtet die wichtigsten Angebote und Leistungen, die das Schweizer Gesundheitswesen und andere Institutionen bieten, wenn es um die Pflege von den eigenen Kindern geht.
Hintergrund
In der Schweiz leben etwa 1,7 Millionen Menschen mit einer Behinderung, doch die genaue Zahl der betroffenen Kinder ist schwer zu bestimmen, da sie stark von den verwendeten Definitionen und Schweregraden abhängt.
Es wird geschätzt, dass rund 10.000 Kinder mit schweren Behinderungen und etwa 44.000 weitere mit leichteren chronischen Beeinträchtigungen zu kämpfen haben. Unabhängig davon, ob die Beeinträchtigung körperlicher, geistiger oder psychischer Natur ist, stellt sie für die betroffenen Familien oft eine enorme Herausforderung dar.
Eine Behinderung kann alltägliche Aufgaben zur unüberwindbaren Hürde machen, soziale Interaktionen einschränken, die Bewegungsfreiheit mindern und sowohl die beruflichen als auch die schulischen Möglichkeiten erheblich beeinträchtigen oder gar verhindern.
Finanzielle Unterstützung zur Entlastung für Eltern mit behinderten Kindern
Die Invalidenversicherung (IV) ist eine der zentralen Anlaufstellen für Eltern von Kindern mit Behinderungen. Die IV bietet verschiedene Angebote, die den spezifischen Bedürfnissen der Kinder und ihrer Familien gerecht werden. Vereine und Organisationen wie Pro Infirmis und Procap spielen dabei oft eine wichtige Rolle, indem sie zusätzliche Beratung und Unterstützung anbieten.
Früherfassung und Frühintervention: Bereits im Säuglingsalter können Eltern Unterstützung durch die IV in Anspruch nehmen. Die Früherfassung dient dazu, Behinderungen so früh wie möglich zu erkennen, um eine rechtzeitige und gezielte Förderung zu ermöglichen. Frühinterventionsmassnahmen, wie Logopädie, Physiotherapie oder Ergotherapie, können die Entwicklung des Kindes fördern und verbessern.
Folgende Leistungen und Hilfen können gewährt werden:
- Hilflosenentschädigung (HE): Eltern von Kindern, die aufgrund ihrer Behinderung auf regelmässige Hilfe Dritter angewiesen sind, können eine Hilflosenentschädigung beantragen. Diese Unterstützung hilft, die zusätzlichen Kosten, die durch die notwendige Betreuung entstehen, zu decken.
- Intensivpflegezuschlag (IPZ): Wenn das Kind zeitlich aufwendige Betreuung benötigt, kann ebenso der Intensivpflegezuschlag beantragt werden. Dieser entfällt jedoch nach dem 18. Lebensjahr.
- Assistenzbeitrag: Eltern, die die Betreuung ihres Kindes nicht alleine bewältigen können, können einen Assistenzbeitrag beantragen, um Unterstützung bei der Pflege anzustellen.
- Invalidenrente: Anspruch auf eine IV-Rente besteht frühestens ab dem 18. Lebensjahr, bei einem Invaliditätsgrad von mindestens 40%.
- Ergänzungsleistungen (EL): Ergänzungsleistungen können beantragt werden, wenn die Einnahmen die anerkannten Ausgaben nicht decken.
- Lohnzahlung über Spitex: Eltern können Lohnausfälle über die Anstellung bei einer Spitex ausgleichen.
Leistung | Beschreibung | Besonderheiten |
Hilflosenentschädigung (HE) | Unterstützung für Eltern von Kindern, die aufgrund ihrer Behinderung auf regelmässige Hilfe Dritter angewiesen sind. | Ab dem 18. Lebensjahr: Zuschlag für lebenspraktische Begleitung. |
Intensivpflegezuschlag (IPZ) | Zuschlag für zeitlich aufwendige Betreuung von Kindern mit Behinderung. | Entfällt nach dem 18. Lebensjahr. |
Assistenzbeitrag | Beitrag zur Anstellung einer oder mehrerer Personen für die Unterstützung bei der Betreuung. | Nur nicht in gerader Linie Verwandte können angestellt werden. |
Invalidenrente | Ziel der IV ist die Eingliederung ins Erwerbsleben. | Volle Rente ab 70% Invaliditätsgrad, abgestufte Rente zwischen 40% und 69%. |
Ergänzungsleistungen (EL) | Monatlicher Betrag zur Abdeckung von Lebenshaltungskosten, Miete, Heimkosten, Krankenkassenprämien sowie AHV-/IV-Beiträgen. | Anspruch bei Bezug von IV-Taggeld, IV-Rente oder HE für Erwachsene. |
Lohnzahlung über Spitex | Angehörige Pflegende erhalten für ihre Pflegearbeit Lohn. | Die privaten Spitex Organisationen dienen gleichzeitig als fachliche und emotionale Begleitung. |
Entlastung für Eltern mit behinderten Kindern: Bildungsbereich
Der Zugang zu Bildung ist ein Grundrecht, auch für Kinder mit Behinderungen. Die Schweiz bietet diverse Unterstützungsmöglichkeiten, um diesen Zugang sicherzustellen:
- Sonderpädagogische Massnahmen: Kinder mit Behinderungen haben Anspruch auf sonderpädagogische Unterstützung, sei es in integrativen Schulsettings oder spezialisierten Einrichtungen.
- Nachteilsausgleich: Kinder mit Behinderungen können einen Nachteilsausgleich beantragen, um Chancengleichheit zu gewährleisten.
Entlastungsangebote für Eltern
Neben finanzieller und bildungstechnischer Unterstützung gibt es zahlreiche Entlastungsangebote, die speziell auf die Bedürfnisse der Eltern zugeschnitten sind:
- Entlastungsdienste und Ferienangebote: Verschiedene Organisationen bieten Entlastungsdienste an, bei denen geschulte Betreuer das Kind übernehmen, um den Eltern eine Auszeit zu ermöglichen.
- Selbsthilfegruppen und Beratungsstellen: Der Austausch mit anderen betroffenen Eltern kann sehr entlastend wirken.
Medizinische und therapeutische Unterstützung
Grundsätzlich finanzieren die Krankenversicherer die notwendigen medizinischen Behandlungen (z.B. Therapien, Behandlungsgeräte, Kinderspitex). Bei Kindern mit einem anerkannten Geburtsgebrechen übernimmt die IV die Funktion der Krankenkasse bis zum 20. Geburtstag.
- Therapien und Rehabilitation: Physiotherapie, Ergotherapie, Logopädie oder psychologische Unterstützung sind je nach Behinderung notwendig.
- Spitex-Dienste: Für intensive medizinische Betreuung zu Hause können Spitex-Dienste in Anspruch genommen werden.
Rechtliche Beratung und Unterstützung
Die Rechte von Kindern mit Behinderungen und deren Eltern sind gesetzlich verankert. Es ist wichtig, dass Eltern über diese Rechte informiert sind und sie im Bedarfsfall auch durchsetzen können:
- Rechtsberatung: Verschiedene Organisationen bieten rechtliche Beratungen an, die Eltern dabei unterstützen, Ansprüche geltend zu machen.
Checkliste: Unterstützungsmassnahmen für Kinder mit Behinderung
Ab 13 Jahren
- Berufliche Eingliederung: Massnahmen der IV sollten rechtzeitig beantragt werden.
Ab 16 Jahren
- Kinderzulagen: Eltern können prüfen lassen, ob die Ausrichtung von Kinderzulagen verlängert werden kann.
- Hilfsmittelüberprüfung: Prüfen Sie, ob ein bestehendes Hilfsmittel ersetzt werden muss.
Ab 17 Jahren
- IV-Rentenanspruch: Der Antrag sollte bereits sechs Monate vor dem 18. Geburtstag gestellt werden.
- Beistandschaft: Abklärungen mit der KESB sollten vor dem 18. Geburtstag erfolgen.
Entlastung für Eltern mit behinderten Kindern: Fazit
Die Schweiz bietet eine breite Palette an Unterstützungsmöglichkeiten für Eltern von Kindern mit Behinderungen. Von finanziellen Hilfen über therapeutische Massnahmen bis hin zu Entlastungsdiensten – die Angebote sind vielfältig und darauf ausgerichtet, den Alltag der betroffenen Familien zu erleichtern.
Eltern sollten Beratungsstellen aufsuchen oder sich direkt an die IV wenden, um die bestmögliche Förderung und Unterstützung für ihr Kind zu gewährleisten.
Weiterführende Informationen
Die Herausforderungen und Bedürfnisse, die mit verschiedenen Behinderungsarten einhergehen, sind sehr unterschiedlich und erfordern individuell angepasste Unterstützung.
- Eine Mitgliedschaft bei Autismus deutsche Schweiz kann für Familien mit autistischen Kindern wertvolle Unterstützung bieten.
- Bei kognitiven Einschränkungen empfiehlt sich der Beitritt zu Insieme.
- Zusätzlich lohnt sich der Kontakt zu behinderungsübergreifenden Organisationen wie Procap, wo umfassende Beratung angeboten wird.